WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Panorama
  3. Vornamen: Vorsicht vor „Lea-Ikea“, „Danger“ und „Superman“!

Panorama Vornamen

Vorsicht vor „Lea-Ikea“, „Danger“ und „Superman“!

Quelle: Infografik die Welt
Wenn sie ihren Kindern Namen geben, denken viele Eltern laut einer Studie auch an das „Hänselpotenzial“. Doch nicht immer sind Tücken sofort erkennbar, warnt Sprachwissenschaftlerin Frauke Rüdebusch.

Soll die Tochter heißen wie die Großmutter? Wie die Romanheldin? Oder doch eher wie die nette Urlaubsbekanntschaft vom letzten Sommer? Wovon sich Eltern bei der Namenswahl ihrer Kinder leiten lassen, hat die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) untersuchen lassen. Das Institut für Demoskopie Allensbach befragte knapp 1000 Mütter und Väter zu ihren Motiven. Sprachwissenschaftlerin Frauke Rüdebusch, die seit 2010 bei der GfdS in Wiesbaden arbeitet, erklärt die kürzlich veröffentlichte Studie.

Die Welt: Für drei Viertel der Eltern spielt offenbar Ästhetik die größte Rolle bei der Namensgebung ihrer Kinder. Was heißt das genau: Muss der Vorname auf der Geburtsurkunde schön aussehen? Oder soll er an schöne Dinge erinnern?

Frauke Rüdebusch: Der Name muss sich schön anhören. Das war für 72 Prozent der Eltern wichtig, besonders die jüngeren. Für die Älteren spielen Traditionen noch eine größere Rolle, also dass dieser oder jener Name in der Familie weitergegeben wird. Mehr als jeder zweite Befragte fand auch, dass der Vorname gut zum Nachnamen passen muss.

Die Welt: Dass es also nicht unbedingt eine Meike Meyer wird oder ein Rüdiger Rüdebusch?

Rüdebusch: Oder gerade! Das ist ja Geschmackssache. Für einige Eltern war es auch von Bedeutung, dass der Name ihres Kindes eine bestimmte Länge hat, also besonders kurz ist oder besonders lang, weil der Nachname schon aus so vielen Silben besteht oder eben aus so wenigen. Was nun melodisch klingt und was schön ist, ist eben immer sehr subjektiv.

Die Welt: Rein objektiv gefragt: Welches sind die skurrilsten Vornamen, die Ihnen bisher begegnet sind?

Rüdebusch: Das Wort skurril benutzen wir in diesem Zusammenhang nicht. Wir sagen: außergewöhnlich. Die Eltern haben ja immer eine Geschichte, einen guten Grund, warum sie ihrem Kind diesen oder jenen Namen geben wollen. Wir haben schon einige seltene Namen bestätigt, zum Beispiel Findus, Napoleon, Mahatma, Calibra und Arizona. Abgelehnt haben wir dagegen Namen wie Casablanca, Dresden, Compostela, Löwenherz, Kuchen, Frühling, Puppe, Jetaime, Excalibur oder auch Zecke.

Die Welt: Wie bitte? Wie kommt man darauf, sein Kind als blutsaugenden Parasiten zu bezeichnen?

Rüdebusch: Das war damals der Spitzname eines Fußballers.

Anzeige

Die Welt: Stimmt, da war was. Andreas – Zweitname: Rainer – Neuendorf ist zu dem Beinamen gekommen, als er wegen eines Zeckenbisses im Krankenhaus war. Er ließ sich „Zecke“ sogar als Künstlernamen in den Personalausweis eintragen, damit der Spitzname auch auf dem Trikot stehen darf. Wer aber entscheidet, was letztlich in der Geburtsurkunde steht?

Rüdebusch: Das Standesamt trifft die juristische Entscheidung, ob es einen Namen zulässt oder nicht. Da gibt es Unterschiede, wie wir immer wieder feststellen. Manche gehen auf Nummer sicher und fordern für die Akten noch eine Bestätigung von den Eltern. Andere sind etwas toleranter. Wir werden oft um Beurteilungen gebeten, wenn es um bestimmte Schreibweisen geht oder ob es mit „neuen“ Namen einmal Probleme geben könnte. Wir bekommen aber tatsächlich oft nur die schwierigen Fälle. So etwas wie Rosa Schlüpfer oder Calvin Klein besprechen in der Regel schon die Standesämter mit den Eltern. Mit solchen Namen tut man Kindern ja nicht gerade einen Gefallen, man muss auch bedenken, dass sie mal größer werden.

Die Welt: Also denken Eltern kurz vor der Eintragung des Namens, was spätestens vier Wochen nach der Geburt passieren muss, nicht immer daran, dass ihr Sohn mit 40 vielleicht mal sagen muss: Mein Name ist Pumuckl Fischer, ich bin der Polizeipräsident von Pusemuckel ...

Rüdebusch: ... oder: Ich bin Pixie Schreiber, die Bankdirektorin von Buxtehude. Wenn wir bei solchen Namen um eine Stellungnahme gebeten werden, fordern wir Eltern immer auf, einen zweiten, seriöseren Namen dazu auszusuchen, sodass das Kind später die Möglichkeit hat, sich anders zu präsentieren. Ich bin mir sicher, dass Eltern ihrem Kind keine Steine in den Weg legen wollen, es geht ihnen eher um ein Alleinstellungsmerkmal. Oft sehen sie es aber nur als Baby und denken nicht daran, dass ein solcher Name jetzt vielleicht ganz süß klingt, für das weitere Leben aber nicht so hilfreich ist.

Die Welt: Ab und zu kommt es sogar zu Prozessen, weil Standesämter Vornamen ablehnen.

Rüdebusch: Ja. Auch wenn wir in unserer sprachlichen Einschätzung einen Namen für unbedenklich halten, kann das Standesamt trotzdem sagen: Wir tragen ihn nicht ein. Das ist aber selten. Wenn wir Nein sagen und auch die Behörde einen Namen ablehnt, dann haben Eltern immer noch die Chance, vor Gericht zu gehen. Das kann durchaus Erfolg haben.

Die Welt: Haben Sie einen bestimmten Fall im Kopf?

Anzeige

Rüdebusch: Ich erinnere mich an den Fall Bock, das sollte der dritte Vorname für ein Mädchen werden. Die Eltern wollten so den Nachnamen des Vaters, der nicht an das Kind weitergegeben wurde, wenigstens als Vornamen eintragen lassen. So etwas kommt ab und zu vor, den Fall Schröder hatten wir auch schon. Im Fall Bock bekamen die Eltern recht, sie begründeten das damals damit, dass Bock im Koreanischen – wenngleich in anderer Schreibweise – auch Glück bedeutet. Ein Gericht muss bei solchen Entscheidungen aber auch immer bedenken: Wenn der Name einmal eingetragen ist, statuiert man ein Exempel und öffnet Tor und Tür für Nachahmer. Das ist bei vielen Namen so, die zu uns rüberwandern, aus den USA zum Beispiel, wo fast alles erlaubt ist. Der Name Cheyenne etwa wäre bei uns vor 20 Jahren nicht möglich gewesen. Heute ist er ganz geläufig.

Die Welt: Tun sich Eltern eigentlich schwer damit, Namen für ihre Kinder zu finden?

Rüdebusch: Mehr als 80 Prozent der Eltern gaben in der Befragung an, es sei ihnen „sehr leicht“ oder „eher leicht“ gefallen. „Sehr schwer“ oder „eher schwer“ fiel es nur einem Fünftel. Auffällig war, dass die Eltern, deren Kind heute schon über zehn Jahre alt ist, sich kaum noch daran zu erinnern scheinen, falls es bei der Namensgebung Schwierigkeiten gegeben hat.

Die Welt: Müssen Eltern auch ermahnt werden, dass sie ihrem Nachwuchs mit einem falschen Vornamen etwas Schlimmes antun können?

Rüdebusch: Eher nicht. Gut drei Viertel der Befragten berücksichtigen dieses „Hänselpotenzial“ schon. 42 Prozent fanden das sogar besonders wichtig.

Die Welt: Um Kinder vor späteren Hänseleien zu schützen, hat ein Bundesstaat in Mexiko kürzlich 61 Vornamen verboten, darunter Facebook, Hodensack und Unterhose. Kommen deutschen Eltern solche Kreationen auch in den Sinn?

Rüdebusch: Da muss man differenzieren. Manche sind sich vorher gar nicht bewusst, dass ein Name vielleicht ungewollte Assoziationen hervorruft. Zum Beispiel nannte mal eine Frau ihre Tochter Minou. Sie lebte dann eine Zeit lang in Frankreich und stellte fest, dass der Name übersetzt nicht nur Kätzchen heißt, sondern auch Muschi. Daraufhin beantragte sie eine Umbenennung. Selbst Lea ist ein Beispiel für ungeahnte Wortspiele. Da denkt man auch nicht sofort daran, dass andere Kinder einmal rufen könnten: Lea-Ikea. Hänseln ist ja sehr breit angelegt. Wir haben auch mal von „Danger“ und von „Superman“ abgeraten. Man weiß schließlich nie, wie sich ein Kind entwickelt.

Die Welt: Und wo liegt die Grenze des guten Geschmacks? Pumuckl zum Beispiel ist in Deutschland als Vorname erlaubt, Puhbert aber nicht ...

Rüdebusch: ... noch nicht! Aber wer weiß? Ich würde jetzt nicht sagen, Pumuckl wäre niedlicher als Puhbert. Es ist aber tatsächlich so, dass vieles irgendwann möglich wird. Dass sich Namen eines Tages etablieren. Bei literarischen Vorlagen ist das durchaus mal möglich. Und Pumuckl ist schließlich ein Zeichentrickheld. Bei Puhbert dagegen erkennt man schon eine mögliche Hürde, wenn man weiß, was „poo“ auf Englisch bedeutet ...

Die Welt: ... nämlich das, was in der Kinderwindel landet – aber vielleicht nicht unbedingt im Kinderpass stehen sollte. Wo suchen werdende Eltern überhaupt nach Namen?

Rüdebusch: Die meisten lassen sich von dem inspirieren, was sie in der Familie, im Freundes- und Bekanntenkreis hören, im Kindergarten, von einem Arbeitskollegen. Ein Drittel der befragten Eltern kam so auf den Kindsnamen. Etwa ein Fünftel gab an, dass der Name schon immer im Kopf war. Überrascht hat uns bei der Studie, dass das Internet kaum eine Rolle spielt bei der Namenssuche.

Die Welt: Sind Promis ein Vorbild? Man denke an Starkoch Jamie Oliver und seine Töchter Poppy Honey, Daisy Boo und Petal Blossom Rainbow.

Rüdebusch: Eher weniger. Nur drei Prozent der Eltern gaben in der Untersuchung an, dass sie ihr Kind nach einer prominenten Persönlichkeit benannt haben. Bei Figuren aus Büchern, Filmen und Fernsehen sind es acht Prozent.

Die Welt: Gibt es Unterschiede bei den Geschlechtern?

Rüdebusch: Bei Mädchen wird mehr Wert auf den schönen Klang gelegt, zum Beispiel auf eine Endung mit a, e, i oder u, weil das mit Weiblichkeit verbunden wird. Bei Jungen kam es in der Vergangenheit eher auf Markigkeit an. Die Namen gleichen sich aber an, sie werden androgyner. Das heißt, dass Jungennamen heute zunehmend weiblich klingen und Mädchennamen auch mal männlicher und härter.

Die Welt: Gibt es eigentlich ein Limit für die Zahl der Vornamen? Vielleicht zehn, wie beim früheren Verteidigungsminister, dem Freiherrn Karl-Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester von und zu Guttenberg?

Rüdebusch: Theoretisch gibt es keine Grenze. Praktisch ist es so, dass die Standesbeamten sagen: So, jetzt ist die Zeile in der Urkunde zu Ende beschrieben. Das hat aber auch praktische Gründe. Was hat ein Kind davon, wenn es sich nicht seinen kompletten Namen merken kann? Auch auf dem Personalausweis kann es eng werden. Wenn dann vielleicht der vierte Name der Rufname ist, der aber nicht im Ausweis steht und der Besitzer ausgerechnet auf diesen Namen einen Flug gebucht hat, dann ist das schon unglücklich.

Die Welt: Die GfdS veröffentlicht jedes Jahr eine Liste mit den beliebtesten Vornamen des Jahres. Können Sie schon sagen, welche das 2013 waren?

Rüdebusch: Wir sind noch dabei, die Listen der Standesämter auszuwerten. Ich kann aber verraten: Es wird keine allzu großen Überraschungen geben. Die Namen ändern sich nicht von Jahr zu Jahr, eher von Dekade zu Dekade, von Generation zu Generation. Was vor 30 Jahren Michael und Julia waren, sind heute Sophie und Maximilian, neuerdings auch Luca. Erstaunlich ist auch: Seit 1977 ist Alexander jedes Mal unter den beliebtesten zehn Namen.

Die Welt: Wie wichtig ist Familientradition bei der Namenswahl? Kommen nach den Omas und Opas jetzt bald die Urgroßeltern wieder in Mode?

Rüdebusch: Ja, das kann man schon erkennen, dass die Namenspatrone nun eine Generation älter sind; die Ludwigs, Heinrichs, Friedrichs, Friedas und Emmas machen sich jetzt schon stärker bemerkbar. Horst, Brigitte und Ursula dagegen werden weniger, also die Namen, die junge Eltern heute eher mit ihren Eltern verknüpfen. Aber vielleicht kommen die wieder, wenn die Kinder, die jetzt geboren werden, Kinder bekommen. Namensmode ändert sich. Vor 100 Jahren hätte es vermutlich Heinz und Fritz nicht gegeben, sondern nur die Vollformen Heinrich und Friedrich.

Die Welt: Vor ein paar Jahren stellte eine Pädagogikstudentin in ihrer Masterarbeit die These auf: Kevin ist kein Name, sondern eine Diagnose. Gilt das noch? Trauen Lehrer kleinen Chantals oder Justins tatsächlich weniger zu als Jakobs und Charlottes?

Rüdebusch: Wir kennen solche Vorbehalte, halten uns aber zurück damit, einen Namen oder ein Kind so abzustempeln. Es wird sicherlich heute weniger Eintragungen von Kevin geben als in den 90er-Jahren, der Name wird aber heute noch vergeben. Ich glaube, er ist inzwischen auf Platz 150 abgestiegen.

Die Welt: Im Internet gibt es schon den Chantalisator. Danach heißen Sie übrigens Francis Chelsea. Gefällt Ihnen das besser als Frauke?

Rüdebusch: Nein! Ich bin mit meinem Namen so ganz zufrieden. Es gab mal eine Zeit, da war ich über den Bestandteil „Frau“ nicht so glücklich. Aber man wächst mit seinem Namen zusammen.

Die Welt: Wie kamen Ihre Eltern darauf?

Rüdebusch: Meine Mutter ist Lehrerin, sie hatte in der Schule eine Kollegin und eine Schülerin mit diesem Namen. Beide fand sie sehr nett. Positive Assoziationen sind oft der Grund für Eltern, sich für bestimmte Namen zu entscheiden.

Die Welt: Haben Sie eigene Kinder?

Rüdebusch: Noch nicht.

Die Welt: Hätten Sie sofort einen Namen parat?

Rüdebusch: Mittlerweile nicht mehr. Ich hatte tatsächlich mal eine Liste. Aber seit ich hier arbeite, sind mir so viele schöne Namen begegnet, dass es mir schwerfallen würde, mich zu entscheiden.

Quelle: Infografik die Welt

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema